„Just. Another. Month“

Ein Dokumentarfilm über die Menstruation in Namibia von Charlotte Weinreich und Rosa-Lena Lange

Die Menstruation – kaum ein Thema ist so allgegenwärtig, so normal und universell und dabei zugleich so sehr von Schweigen, Scham und Stigma belastet. 

Wenn ich Menschen in Deutschland über unseren Dokumentarfilm erzähle, indem wir uns der Menstruation in Namibia widmen, bekomme ich häufig die Frage: „Ist die Periode denn da irgendwie anders als hier?“. Natürlich nicht, die Periode verbindet uns Frauen auf der ganzen Welt auf die gleiche Art und Weise. Als ich jedoch zum ersten Mal die Geschichte unserer Protagonistin Terry Farrell hörte, wurde mir auf sehr eindrückliche Weise bewusst, dass die Menstruation in Namibia (und vielen anderen Ländern des globalen Südens) eine Dimension hat, die wir Europäer*innen uns oft nicht vorstellen können, weil wir davon nicht betroffen sind. Terrys Cousine wurde vor ein paar Jahren in Namibia von einem Krokodil in den Okavango Fluss mitgerissen und getötet, weil sie sich –wie viele Frauen im Norden Namibias- während ihrer Periode nicht anders zu helfen weiß, als die Zeit durchgehend an diesem großen Gewässer zu verbringen und ihre blutigen Kleider auszuwaschen. Diese lebensbedrohliche Auswirkung der Menstruation ist eine sehr extreme, aber sie ist leider auch real. Es ist diese Geschichte, die meine Kommilitonin Rosa-Lena Lange und mich dazu veranlasste mehr über diese Problematik zu recherchieren und führte schließlich zu dem Entschluss, einen Dokumentarfilm darüber zu drehen. 

In Namibia leiden viele Frauen nicht nur unter den fehlenden angemessenen sanitären Produkten, sondern vor allem darunter, dass die Menstruation als etwas unreines, als Tabu und Stigma, betrachtet wird. Dadurch werden sie während ihrer Periode oft daran behindert an gemeinschaftlichen Aktivitäten der Gesellschaft teilzunehmen oder komplett isoliert.

Warum ein Dokumentarfilm? Rosa-Lena und ich haben schon einmal zusammen einen Kurzdokumentarfilm über Frauen in der Kommunalpolitik realisiert und dabei feststellen können, dass dieses Medium einzigartig ist in seiner Vereinbarkeit von künstlerischer Ausdrucksform auf der einen und inhaltlicher Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen auf der anderen Seite. Filme können Menschen auf einer anderen emotionalen Ebene erreichen als beispielsweise Texte. 

Unsere Intention war und ist vor allem namibischen Frauen und Mädchen eine Stimme zu geben und eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen. Der Film sollte idealerweise vor allem Aufmerksamkeit für ein Thema erzeugen, das auch hier in Deutschland nicht frei von Tabuisierung und Scham ist. 

 

Umsetzung 

 

Sobald der Drehzeitraum (September – Oktober 2019) feststand begannen wir in Kooperation mit der studentischen Redaktion uniTV der Universität Freiburg eine grobe Konzeption des Films auszuarbeiten und das nötige technische Equipment auszuwählen und zu beschaffen. Parallel dazu liefen natürlich weiterhin unsere Recherche und die Kontaktaufnahme mit Schlüsselorganisationen und Menschen vor Ort. So konnten wir bereits im Voraus wichtige Interviewtermine mit der UNFPA, Terry Farrell und lokalen NGOS wie zum Beispiel Afryannamibia organisieren, was uns vor Ort sehr viel Zeit und Aufwand sparte. 

Nichtsdestotrotz war der Organisationsaufwand in Namibia enorm und unsere Tage gefüllt von Telefonaten, Drehterminen, langen Autofahrten und Schulbesuchen. Über die Eltern meiner Projektpartnerin Rosa-Lena, die seit 3 Jahren in Windhoek leben und arbeiten, konnten wir gleich zu Beginn Kontakt zu Terry Farrell aufnehmen, die zu einer der wichtigsten Protagonistinnen in unserem Film werden sollte. Terry ist Namibierin und setzt sich mit ihrer NGO Namibia Partnship Solutions seit Jahren dafür ein, dass Schulmädchen in Namibia Zugang zu Damenbinden bekommen und Kinder, sowohl Jungs als auch Mädchen, umfassend über die Menstruation und sexuelle reproduktive Gesundheit aufgeklärt werden. Dafür reist sie an verschiedene Schulen, vor allem in der stark von Menstruationsarmut betroffenen Okavango Region, sammelt Spenden und führt umfangreiche Interviews mit Schüler*innen und Lehrer*innen. 

Damit ist Terry Farrell keineswegs die Einzige. Die Menstruation gewinnt seit einigen Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit und zahlreiche Organisationen und kleine Netzwerke engagieren sich in diesem Bereich. Manche sind auch auf eigene Faust aktiv, so wie die Studentin Tjova Fololindo. Über eine Dozentin der Fakultät für Gender Studies der University of Namibia erfuhren wir, dass Tjova in ihrem privaten Umfeld Spenden für Damenbinden sammelt, mit denen Sie an verschiedene Schulen im ländlichen Raum reist um sie dort zu verteilen. Nach einem ersten Treffen mit Tjova stand schnell fest, dass wir sie bei einer solchen Aktion mit der Kamera filmisch begleiten und sie mit den uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln bei diesem Vorhaben zu unterstützen würden. Damit wurde Tjova zur Hauptprotagonistin unserer Filmgeschichte. 

Zu dritt fuhren wir mit dem Auto, dem Filmequipment und den Damenbinden für drei Tage in den Norden Namibias, nach Rundu. An der Mupapama Combined School konnten wir, mit Genehmigung des Ministers für Bildung der Okavango Region, nicht nur die Binden spenden, sondern auch umfangreiche Interviews mit Schulmädchen und -jungen führen. 

Diese Interviews erlaubten uns sehr tiefe und zugleich sehr bewegende Einblicke. Eine Gruppe von sechs Mädchen erzählte uns im Stuhlkreis unter größter Scham davon, wie sie während ihrer Periode oft auf inadäquate Mittel wie Matratzen Stücke, Blätter, Zeitungs- oder Toilettenpapier zurückgreifen müssen, weil sie zum einen Hemmungen haben sich mitzuteilen und zum anderen schlichtweg keine Binden da sind, oft aus finanziellen Gründen. Sowohl Mädchen als auch Jungs bestätigen uns außerdem, dass Mädchen während ihrer Menstruation ausgelacht und gemobbt werden. Die Mädchen verpassen regelmäßig Schule, weil sie ohne Binden natürlich nicht zur Schule gehen möchten. Diese strukturelle Benachteiligung, die so komplex ist und die diese Mädchen oft stumm und leidend ertragen, wurde uns in diesen Gesprächen also bewusst und wir versuchten diese Eindrücke und Gespräche so gut es ging mit der Kamera einzufangen. 

Ein ganz anderer problematischer Aspekt in dem Themenkomplex Menstruation tat sich uns auf, als wir die Schulmädchen fragten, wie sie benutzte Einwegbinden entsorgen würden. Die Mädchen erzählten uns von drei Möglichkeiten: die Binde wird entweder in einem Loch in der Erde vergraben, einfach in den Busch geworfen oder verbrannt. Keine dieser Optionen ist langfristig ökologisch oder nachhaltig. 

An dieser Stelle kommt Terry Farrell und ihre NGO wieder ins Spiel. Als erste in Namibia hat sie begonnen wiederverwendbare Stoffbinden lokal zu produzieren und an Schulen zu spenden. Diese Binden sind, wenn sie gut gepflegt werden, drei Jahre verwendbar, weil sie einfach gewaschen werden können. Für die Zukunft des Landes Namibia sind sie daher nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern garantieren der Besitzerin längerfristig ein Stück Bildungszukunft, im Gegensatz zu den herkömmlichen Damenbinden. All das erzählte uns Terry  als wir zum zweiten Mal von Windhoek in den Norden nach Rundu reisten um sie dort zu besuchen und bei ihrer Arbeit zu unterstützen und filmisch zu begleiten. Terrys Konzept ist auch deshalb nachhaltig, weil sie durch die Produktion der wiederverwendbaren Binden Arbeitsplätze vor Ort in Namibia schafft. Drei Näherinnen hat sie für das Anfertigen der Produkte angestellt. Wir besuchten die kleine Produktionsstätte und zwei der Näherinnen im Zuge unseres zweiten Drehs in Rundu. 

 

All diese Begegnungen und Erlebnisse auf unserem fünfwöchigen Dreh in Namibia haben uns gezeigt, wie viel sich in Namibia in Bezug auf die Aufklärung und hygienische Bedingungen der Menstruation tut. Wir haben ein Land im Wandel erlebt, das voller Initiativen und Ideen steckt. Auch der Tag der “National Commemoration of Menstrual Health and Hygiene”, der in Namibia im vergangenen Jahr zum ersten Mal unter dem Motto “Empowering Women and Girls through Excellent and Safe Menstrual Health and Hygiene” gefeiert wurde zeigt, dass wichtige Entwicklungen auf diesem Gebiet stattfinden. 

Gleichzeitig wird einem vor Ort auch bewusst, wie sehr Menstruationsarmut und alle Probleme, die sich daraus ergeben, eigentlich nur eine Symptomatik sehr viel größerer struktureller Probleme der Ungleichheit und Armut sind. Ohne das Aufbrechen dominanter patriarchischer Strukturen und die Bekämpfung von Ungleichheit wird sich die Situation für namibische Frauen und Mädchen nicht effektiv ändern können, so viel ist klar. Die vielen Initiativen, NGOs und Individuen, die sich für Mädchen und Frauen stark machen sind deshalb wichtig, weil sie sehr gezielt vor Ort helfen können, vor allem aber weil sie ein Sprachrohr sind, das auf die mit der Menstruationsarmut verbundenen Missstände auf politischer Ebene aufmerksam machen muss. Erst kürzlich wurde im Parlament Namibias eine Debatte über die Verbesserung der Menstruationsbedingungen von weiblichen Parlamentarierinnen abgebrochen, weil diese Politikerinnen eine solche Diskussion nicht schlichtweg nicht führen wollten. 

 

Von unserem Dokumentarfilm erhoffen wir uns also verschiedene Dinge. Zum einen möchten wir natürlich auf das Thema Menstruationsarmut in Namibia global aufmerksam machen. Weltweit haben mehr als 500 Millionen Frauen und Mädchen keinen Zugang zu Menstruationshygieneprodukten. Es fehlen sowohl angemessene Sanitärinfrastrukturen in Schulen, als auch umfassende Aufklärung zum Umgang mit Menstruationsgesundheit und -hygiene. Oft führt dies zur Nutzung von unhygienischen Materialien, die wiederum Infektions- und Krankheitsrisiken erhöhen. Obwohl es natürlich Unterschiede zwischen den geographischen Regionen dieser Welt gibt, kann jede Frau, unabhängig von ihrem Hintergrund, dieses fundamentale Problem nachvollziehen. 

Durch einen Dokumentarfilm Aufmerksamkeit für diese Thematik zu schaffen kann dazu beitragen, die physische und psychische Gesundheit vieler Mädchen und Frauen zu verbessern und ist damit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Geschlechtergleichheit. Vielleicht werden wir es nicht schaffen, die namibische Regierung durch unseren Film wachzurütteln, aber wir werden namibischen Mädchen und Frauen eine Stimme geben, die zur Diskussion, Inspiration und zum Handeln anregen soll.