Theaterprojekt von Studierendengruppe Fist e.V.

Theater – Jetzt – „Spielräume schaffen“ trotz Corona?

Warum Theater? Gerade im letzten Jahr und während der Corona-Pandemie wurde diese Frage immer wieder gestellt, die Antworten darauf selten wirklich gehört. Denn Corona setzt nicht nur den menschlichen Organismus außer Gefecht, lähmt unsere Wirtschaft, geht auf die Psyche und gegen jeden Wunsch nach sozialer Gemeinschaft, sondern macht auch dem Kulturbetrieb ganz konkret zu schaffen. Dabei könnte dieser doch zumindest ein paar der anderen Probleme Abhilfe schaffen. Denn Theater kann: traurig, schön, lustig, laut, leise, wichtig, verstören, kritisieren, animieren, aber vor allem vereinen. Der ehrenamtliche Verein FIST* e.V. bemüht sich seit über 30 Jahren ehrenamtlich darum, dieses gesellschaftliche Ziel zu erreichen und studentisches Theater zu fördern. Unter dem Titel “Frühlings Erwachen” entsteht momentan ein außergewöhnlich großes und innovatives Projekt, das einen immersiven Livestream mit alternativen Handlungspfaden für Frank Wedekinds Klassiker (1906) realisiert.
Bereits im August 2020 hat sich eine Gruppe von vier Studierenden der Universität Freiburg zusammengefunden, um Ideen für ein innovatives und immersives Konzept studentischen Theaters zu finden. Anfang Herbst 2020 teilte sich die Gruppe in ein Literaturteam, welches das Stücks für die verschiedenen Handlungsalternativen schriftlich aus- und umgearbeitet hat, und ein Regieteam, das sich an die konzeptionelle Verwirklichung des Stücks gemacht hat. Weitere Crewmitglieder arbeiten seitdem an der Umsetzung von Technik, Bühne und Kostüm. Seit Januar hielten wir wöchentliche Online-Proben, um die Schauspieler*innen optimal auf den Zeitpunkt vorzubereiten, ab dem wir in Präsenz proben konnten. In dieser kurzen Zeit konnte sich bereits zeigen, wie unheimlich wichtig ein solches künstlerisches Angebot und ein wöchentlicher kreativer Austausch für viele Studierende sind. Denn nicht nur als kreativer Raum, der seit der Pandemie unersetzlich fehlt, sondern auch als psychische Entlastung und Möglichkeit zum sozialen Miteinander und gemeinsamen kunstvollen Schaffen, soll unser Projekt dienen – gerade für die Studierenden und junge Menschen in Freiburg, deren Wunsch nach interpersonellen Austausch derzeit zu kurz kommt. Dabei wollen wir aber auch ein Theaterstück schaffen, das kontroverse zwischenmenschliche Erfahrungen auf die Bühne übersetzt, für unsere Zuschauer*innen erfahrbar macht und zur kritischen (Selbst-)Reflexion animiert. In unserer Produktion wird das Publikum mit diversen Abstimmungen konfrontiert, welche sich direkt und indirekt auf die Empfindung oder den Ablauf des Stückes auswirken werden. Um einen subtilen Entscheidungsprozess in eine spannende Handlung einzuflechten, werden wir ein E-voting System programmieren und für digitale Endgeräte zur Verfügung stellen. Unser Ziel ist es, die klassische Theatererfahrung aufzubrechen und in einen aktuellen gesellschaftlichen Kontext einzubetten, der sich insbesondere kritisch mit Medienkonsum auseinandersetzt und zur Selbstreflektion animiert. Auch die Inszenierung von Gewalt stellt für uns eine besondere Herausforderung und Chance dar, das Publikum mit seinen Entscheidungen zu konfrontieren. Da das Stück zwei Gewaltszenen in Wedekinds Fassung beinhaltet, unter anderem eine Vergewaltigung, geht es uns vor allem darum darzustellen, wie die Gewalt bei den Figuren emotional entsteht und wie die Gesellschaft / der Zuschauer mit ihr umgeht. Durch die Kameraführung soll eine voyeuristische Perspektive entstehen, die die dargestellte Gewalt psychisch intrusiver macht. Deshalb möchten wir nicht bloß ein Theaterstück abfilmen und online zur Verfügung stellen, sondern dem Publikum in Echtzeit das Gefühl geben, dabei zu sein und das Stück nicht länger als 48 Stunden online verfügbar machen, auch um unsere Schauspieler*innen zu schützen. Wir haben primär auf die Realisierung eines Livestream gesetzt, da ein nachhaltig positiver Lerneffekt der Pandemie für uns auch ist, dass Theater barrierefrei und von überall aus funktionieren kann. Zwischen dem 23.07. und dem 01.08.2021 werden wir deshalb um 20 Uhr von überall aus für den geringen Eintrittspreis von 3 (ermäßigt) und 5 Euro anzuschauen sein. Der Stream wird im Hans-Bunte-Areal in Freiburg realisiert, um zusätzlich noch gebeutelte Spielstätten in Freiburg zu fördern und die Kooperationen in der Kulturszene zu erweitern. Es ist es uns ein Anliegen, den Besuch der Aufführungen unter diesen besonderen Umständen und vor allem unabhängig von Einkommen und Einschränkungen für alle zu ermöglichen. Über die Kulturplattform “inFreiburgZuhause” haben wir bereits die Zusage und Förderung für einen Livestream am 01.08.2021, der kostenlos sein wird und zwei Tage kostenlos on-Demand verfügbar ist, um noch mehr Menschen Zugang zu ermöglichen. So stellen wir uns eine besonders nachhaltige Errungenschaft studentischen Theaters aus Pandemiezeiten vor. Der Alumni Freiburg e.V., das Institut für Dermatohistologie Pathologie Molekularpathologie Helmut Laaff, die Sparkasse Freiburg Nördlicher Breisgau, und der StuRa Freiburg unterstützt uns in diesem Unterfangen maßgeblich, da trotz ehrenamtlicher Arbeit hohe Produktionskosten anfallen, die wir allein durch Eintrittsgelder nicht stemmen können.
Mehr unter: https://uni.theater/wedekindadaption
Live aus dem Hans-Bunte Areal ab dem 23.07.2021 um 20 Uhr!