Vom Rechtsstaat zur Verfassungskrise: Andreas Voßkuhle analysiert weltweite Entwicklungen

Vom Rechtsstaat zur Verfassungskrise: Andreas Voßkuhle analysiert weltweite Entwicklungen

Am 11. Oktober 2023 ermöglichte die Partnerschaft mit dem Alumni-Club Brandenburg-Berlin unseren Alumni und Alumnae im Großraum Berlin die Teilnahme an einem bemerkenswerten Vortrag, der nicht nur erkenntnisreich und informativ, sondern auch aufrüttelnd war. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Andreas Voßkuhle, ehemaliger Richter und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, bot in seinem Vortrag mit dem Titel „Von der Rechtsstaatskrise zur Verfassungskrise” ein einzigartiges Panorama der globalen Herausforderungen, die Verfassungsgerichte weltweit heute bewältigen müssen.

Die Einführung in den Vortrag rückte die Idee des Rechtsstaats ins Zentrum der Diskussion. Dieses Konzept, das als fundamentale Säule jeder Demokratie gilt, stehe weltweit unter Druck. Dies zeige sich insbesondere, jedoch keineswegs ausschließlich, in der Art und Weise, wie mit der Verfassungsgerichtsbarkeit umgegangen wird.

Herr Voßkuhle stellte heraus, dass Verfassungsgerichte in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert sind. In Ungarn und Polen seien sie praktisch entmachtet worden, während die Verfassungsgerichte von Spanien, Rumänien und Bulgarien aktuell mit ihren eigenen spezifischen Problemen kämpfen würden. Sogar der vormals sehr einflussreiche US-Supreme Court sei politisch beeinfluss worden, und auch in Israel gäbe es Bestrebungen, die Befugnisse des Obersten Gerichts einzuschränken, trotz breiten Protests in der Bevölkerung.

Doch was sind die Ursachen für diese Entwicklung? Herr Voßkuhle führte aus, dass Verfassungsgerichte oft als „Stachel im Fleisch“ der Regierungen angesehen würden und in ihrer Kontrollfunktion auch der Opposition nur so lange gefallen würden, bis diese selbst die Regierung bilden würde. Schnell komme es zu Roll-back-Effekten, so würden Verfassungsgerichte zu mächtig und aktiv werden.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung seien vielfältig und seien nicht nur in den betroffenen Ländern spürbar. Deutschland als Musterbeispiel eines Rechtsstaats bliebe ebenfalls nicht unberührt. Die Schwächung oder Entmachtung von Verfassungsgerichten bürge die Gefahr, dass die Minderheit nicht mehr die Chance hat, zur Mehrheit zu werden, was ein fundamentales Prinzip der Demokratie ist.

Die Trendumkehr gestaltet sich wiederum als äußerst schwierig. Voßkuhle unterstrich, dass die Situation in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlich ist, um eine Einheitslösung zu finden. Dennoch betonte er die Notwendigkeit eines globalen Dialogs und eines gemeinsamen Engagements, um die Ideale des Rechtsstaats zu wahren.

Prof. Voßkuhle, der als Professor und Direktor des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg tätig ist, brachte sein tiefes Fachwissen und seine langjährige Erfahrung als Richter und Präsident des Bundesverfassungsgerichts in diese wichtige Diskussion ein.

Die Alumni-Abteilungen und alle Teilnehmenden des Abends danken Prof. Voßkuhle für seinen inspirierenden und aufschlussreichen Vortrag, der uns nicht nur zum Nachdenken angeregt hat, sondern auch erneut die Notwendigkeit der aktiven Beteiligung an der Erhaltung der Rechtsstaatsideale weltweit vor Augen geführt hat.